Ein besonders ambitioniertes Projekt ist der dritte Teil der SUPERWILDVISION-Reihe, für den sich Irene Müller 2015 in die schroffe Bergwelt der Zillertaler Alpen oberhalb der Baumgrenze begab. Zunächst sollte es bei „SUPERWILDVISION Alpen“ um Murmeltiere gehen. Für sie schuf die Künstlerin ein Gemälde, das sich an ihrer dichromatischer Farbwahrnehmung orientierte und daher vorwiegend in den Farbtönen Blau und Gelb gehalten war.
Das Team der Plauener Hütte deponierte zwei Drucke des Originalgemäldes in 2500 Metern Höhe und stellte erneut Wildkameras auf. Auch hier wurde das Videomaterial der Aktion zur Grundlage neuer Gemälde, die wiederum neue Kunstaktionen mit der Wildkamera nach sich zogen. Die Künstlerin lieferte einen Impuls, die Bergwelt lieferte ihr Feedback. Und so führte die Murmeltier-Aktion als nächstes zum Gemälde eines Steinbocks, das zwei Jahre später, 2017, in zweifacher Ausführung wiederum in alpinen Höhen aufgestellt wurde.
Der Aufstieg des Hüttenwirts, der mit einem hölzernen Tragegestell die Drucke huckepack die felsige Einöde hinaufträgt, wirkt dabei wie ein archaischer alpiner Brauch. Die Mühe wurde mit dem bisher spektakulärsten Dokument der Aktionsreihe belohnt: dem Schnappschuss eines anscheinend kunstsinnigen Steinbocks, der wiederum das Bild eines Steinbocks betrachtet.
Der SUPERWILDVISION-Zyklus speist sich weiterhin aus sich selbst und bringt neue Bildserien hervor: 2018 wurden zwei neue Gemälde mit Wildkameras versehen in den Zillertaler Alpen ausgesetzt. Und im Sommer desselben Jahres wurde diese neue Aktion ergänzt durch eine Videoinstallation, die in der Plauener Hütte zu sehen war.
Den Weg dorthin kann man bereits als Teil des Kunstwerks betrachten, denn der Ausstellungsort ist nur zu Fuß per Wanderweg erreichbar. Damit wird das Medium Video, das im Zeitalter von Youtube geradezu das Paradigma des jederzeit Verfügbaren und Konsumierbaren darstellt, wieder zu etwas Entrücktem, zu dem man sich bewusst aufmachen muss, wie auf eine Pilgerfahrt. Nur vor Ort kann man die Videokunst sozusagen im Biotop ihrer Entstehung erleben – womit die digitale Technik sich selbst wiederum auf ironische Weise als etwas naturhaft Gewachsenes und in der Landschaft Verwurzeltes deklariert.
Die beiden Drucke des Gemäldes „Guten Morgen?“ waren 2019 zeitgleich in den Alpen und in Namibia ausgestellt.
2020 war der Druck des Gemäldes „Der Kranich breitet seine Flügel aus“ ausgestellt. Dieses Jahr haben Wasser und Sonne das Bild bearbeitet und die Wildkamera hat nicht funktioniert.
Gemälde SUPERWILDVISION Alpen